Lustschlößchen Bellarie
Lokalisierung :
Das Lustschloß Bellarie liegt zwischen zwei Baumkulissen an der
westlichen Seite des nicht allzu großen Parterres, disponiert auf
die Querachse des Gartens. Der langgezogene achtseitige Bau mit
einer offenen Galerie im Obergeschoß schließt die doppelte
Gartenterrasse ab.
Die ursprüngliche Bezeichnung :
Das Lustschloß wird zum ersten Mal am 31.3.1708 unter der
Bezeichnung "Bellaria" angeführt.
Objektbeschreibung :
Das zweistöckige Objekt des Lustschlosses hat ein Mansarddach,
bedeckt mit Schindeln. Das Dach wird von zwei Kupfervasen und einem
Paar von Dacherkern mit sog. Ochsenaugen (d.h. ovalen
Fensteröffnungen) geschmückt. An der Südfassade tritt markant die
gewendelte Doppeltreppe mit geschmiedetem Geländer hervor. Die
Fassade des Lustschlosses ist plastisch gegliedert durch rosarote
Zwischenfensterlisenen und Fensterchambranen. Auf waagerechter
Ebene befinden sich Stucksimse, ergänzt durch weiße Flächen mit
Schabrackenmotiven (sog. Lambrequins). Die Chambranen rings um die
Arkadenfenster des oberen Galeriestockwerkes sind mit Voluten
geschmückt. Die flachen und eingelassenen Fassadenteile haben die
Farbe Taubengrau. Der obere Teil der Fassade wird gekrönt von einem
Voutensims.
Das Fußgestell des Lustschlosses, die obere rechteckige Terrasse, ist über zwei zweiläufige Treppen zugänglich.
Die Stützmauern der Terrasse und der Treppen werden durch Pilaster gegliedert. Die Balustrade um die Terrasse und die Treppen ist mit Stuckvoluten verziert. Sämtliche plastischen Teile sind weiß, die übrigen Flächen taubengrau.
Die untere Terrasse mit den Stützmauern aus Bruchmauerwerk ist zugänglich von der Seite des Parterres durch zwei eingebrochene Kutschenrampen. An der Stelle der Anblicksachse des Lustschlosses wird die steinerne Stützmauer der unteren Terrasse von einer Nische mit einer kleinen Fontäne ergänzt. Die Kanten der südlichen Mauer dieser Terrasse und der Stützmauer der Kutschenrampen werden gekrönt von einem profilierten Gesims aus Stein.
Bauhistorische
Entwicklung :
Der Vorgänger des heutigen Lustschlosses, ein Pavillon auf einer
erhöhten Terrasse an der nordwestlichen Mauer des Gartens, entstand
in den Jahren 1690 bis 1692.
Im Jahre 1690 brach Václav Kouba, ein Steinbrecher aus Záluží, den Felsen für die Grundsteine des Lustschlosses. Der Rohbau stand schon im Herbst und die Rechnungen führen an, daß das Dach mit 8 000 Schindeln gedeckt war. Der Stukkateur Michael Bianco schmückte im folgenden Sommer die Ecken innen in der Quadratur aus, an der Decke schuf er die Monogramme des fürstlichen Ehepaares - Johann Christian I. von Eggenberg und Marie Ernestine von Eggenberg, geborene zu Schwarzenberg. Die Giebel der Gebäude wurden mit Pflanzenmotiven und Früchten verziert.
Im Jahr 1692 strich der Krumlover Maler Melichar Hoffengut zwei Wasserspeier in Form eines Drachens mit grüner Farbe an und vergoldete sie. Weiter malte er an das Lustschloß 16 blinde Fenster und bezeichnete sie mit Nummern. Ansonsten waren an dem Gebäude elf Fenster, verglast mit 1 604 Glasrädchen.
Im Jahr 1708 fertigte der hiesige Steinmetz Jan Plansker eine neue Treppe an und der Ofensetzer Lethner baute einen neuen Ofen.
Weitere Instandsetzungen erfuhr das Lustschloß unter der Herrschaft von Josef Adam zu Schwarzenberg.
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Im Jahr 1746 wurde ein Aufzug für den Transport von Speisen auf den "Zaubertisch" im Erdgeschoß errichtet, so daß die Tischgenossen nicht von den Bediensteten belästigt werden mußten.
Im Jahr 1748 wurde die Sala terrena (künstliche Grotte) im
Luftschloß Bellarie mit Stuckarbeiten von Matyas André
ausgeschmückt und im darauffolgenden Jahr wurde sie von Josef
Lederer ausgemalt (dem Autor der Malereien im Maskensaal
des Schlosses).
Das Lustschlößchen wurde in den Jahren 1755 - 1757 im Rokokostil umgebaut, wahrscheinlich aufgrund eines Projektes von Andreas Altomonte, der den ursprünglichen Entwurf des Baumeisters Fortini umgestaltete. Während das untere Stockwerk des Lustschlößchens fast nicht verändert wurde, verwandelte der Aufbau des zweiten Stockwerkes mit einer geöffneten Galerie das Gebäude im Geiste des niederösterreichischen Rokoko. Ein möglicher Prototyp scheint der Palast des Eugen von Savoyen, das Obere Belvedere, zu sein.
Der Autor der Malereien in den Sälen der zwei überirdischen Stockwerke des Lustschlößchens Bellarie ist der Maler František Jakub Prokyš .
Im oberen Galerienstockwerk schuf er eine Malerei der illusiven Architektur, die mit Vasen, Girlanden und Gruppen von Amoretten ergänzt ist. Die außerordentliche Luftigkeit und Leichtigkeit, die die Malerei erweckt, verursachen nicht nur die verwendeten warmen Farbenabstufungen und die zusammenhängende Reihe von Jalousienfenstern. Der ganze Raum des oberen Stockwerkes ist nämlich optisch geöffnet, vor allem nach oben - ins blaue Himmelsgewölbe mit schwebenden Engelchen, die Blumengehänge halten.
Die Malereien in den unteren Sälen wirken bei weitem nicht mehr so original. Im ersten, größeren Raum schuf er sieben allegorische Bilder der freien Künste, auf denen sich Paare von Damen und Herren in Rokoko-Kostümen mit Musik, Geometrie, Architektur und anderen Künsten beschäftigen. Diese Szenen sind in Gartenszenerien eingesetzt, deren Motive aus den damals bekannten Mustergrafiken aus Augsburg geschöpft wurden. Im benachbarten Salon mit dem Zaubertisch "öffnete" der Maler František Jakub Prokyš die Wände des Raumes durch eine illusive Malerei in den Garten, in dem eine musizierende Gesellschaft Blicke auf sich zieht.
In den folgenden Jahrhunderten wurde Bellarie von keinen beträchtlichen Umbauten berührt. Im Laufe der Zeit wurden nur die Farbigkeit der Fassade und weiter der Stil der Gartengestaltung in der Umgebung des Lustschlößchens geändert.
Das Lustschlößchen Bellarie stellt einen einzigartig erhaltenen und gleichzeitig sehr wertvollen Rokoko-Gartenbau dar, der in den böhmischen Ländern kaum seinesgleichen hat. Wir können nur bedauern, daß dieser feine und zarte Bau unter der Nachbarschaft des robusten und in seinem Ausdruck zu viel technizistischen Objektes der drehbaren Zuschauertribüne leidet.
Gegenwärtige Nutzung :
In derselben Zeit wie die Arbeiten auf dem Neubau der drehbaren
Zuschauertribüne (im Jahre 1993 vollendet) wurden die Arbeiten
auf der Instandsetzung des Daches und der Fassade des
Lustschlößchens Bellarie beendet. Es wurde die Farbigkeit aus der
Rokoko-Bauphase rekonstruiert. In die obere Terrasse des
Lustschlößchens wurden unterirdische Räume ausgehöhlt, die als
Ankleidezimmer für die Schauspieler und Betriebsräume des
Südböhmischen Theaters dienen. Auf Beendigung der Instandsetzung
wartet die Sala terrena im Souterrain und vor allem die Säle des 1.
und 2. Stockwerkes, die eine Restaurierung der Wandmalereien
benötigen.
(jo)